Lesung mit Alexa Hennig von Lange
Lesung mit Alexa Hennig von Lange

Lesung mit Alexa Hennig von Lange

Lesung mit Alexa Hennig von Lange

Lebenserinnerungen einer Großmutter

Alexa Hennig von Lange war im Juni zu Gast im Spiegelsaal in Wilster.
Sie hat Band 1 und 2 ihrer Heimkehr Trilogie vorgestellt. In „Die karierten Mädchen“ erzählt sie die Geschichte von Klara, einer Frau, die sich raushalten will und sich doch verstrickt. In einem Kinderheim in Oranienbaum wird Klara mitten in der Weltwirtschaftskrise 1929 als Hauswirtschaftslehrerin eingestellt. Dort übernimmt sie auch die Verantwortung für Tolla, ein jüdisches Waisenkind, das sie als ihre Tochter ausgibt. Als kurz darauf die Heimleiterin stirbt, wird Klara ihre Nachfolgerin. Doch die Zeiten werden schlechter, das Geld wird knapper. In der Hoffnung auf Rettung, sucht Klara die Nähe zu den nationalsozialistischen Machthabern. Später übernimmt sie die Leitung des ersten ländlichen Frauenbildungsheimes im nationalistischen Deutschland. Aber sie erkennt auch, mit wem sie sich eingelassen hat. Sie sieht vieles kritisch und Klara und Tolla geraten in große Gefahr. Von Berlin aus finden Kindertransporte nach England statt. Mit Hilfe ihres Freundes Gustav schickt Klara Tolla nach Berlin. (Foto: Karin Labendowicz)

Zwischen Anpassung und Abneigung – Leben im Dritten Reich

In Band 2 „Zwischen den Sommern“ heiratet Klara im Sommer 1939 ihren Gustav. Kurz danach bricht der 2. Weltkrieg aus. Gustav muss an die Front. Klara weiß nicht, was aus Tolla geworden ist. Zwischen Anpassung und Abneigung gegen das Regime versucht sie, einen Weg durch das Dritte Reich zu finden. Klara bekommt drei Kinder mit Gustav. 1944 gibt sie die Leitung des Heimes ab.

Alexa Hennig von Lange erzählte, dass ihre Bücher auf den Lebenserinnerungen ihrer Großmutter basieren, die – wie Klara – Leiterin des Frauenbildungsheimes in Oranienburg und Sandersleben gewesen war. Ihre Großmutter hatte mit 80 Jahren und fast blind 130 Audiokassetten besprochen und über ihr Leben berichtet.

Ein Menschenleben – hinterlassen auf Audiokassetten

Alexa hatte ihre Großmutter als unnahbar und streng empfunden. Ihre Regeln und Ansichten waren für alle in ihrer Familie Gesetz. „Die Frage, wie mich das geprägt hat, hat mich lange beschäftigt“, erzählte sie. Als Alexa sich die Kassetten angehört hatte, war sie überrascht, wie fröhlich und mädchenhaft ihre Großmutter darauf klang. So unbekümmert hatte sie sie nie erlebt. Alexa lernte ihre Großmutter dabei ganz neu kennen und auch lieben. Aber als es um den Nationalsozialismus ging, veränderte sich der Ton. Die Stimme ihrer Großmutter wurde härter, ein Zögern und Ringen nach Worten lag darin. Obwohl sie die Arbeit im Frauenbildungsheim genau schilderte, merkte man, dass sie Dinge ausließ. All das Schweigen, die Geheimnisse und die Schuld, über die in vielen Familien nie gesprochen wurde, wurden für Alexa fassbar.

Sie begann zu recherchieren, sie sichtete die Tonbänder ihrer Großmutter, las die Tagebücher ihres Großvaters, interviewte ihre Mutter und ihre Tanten, fuhr nach Oranienbaum und Sandersleben, besuchte Museen, las wissenschaftliche Bücher aus der Zeit des Nationalsozialismus. Alexa ergänzte die Erinnerungen ihrer Großmutter und stellte ihr das kleine jüdische Waisenmädchen Tolla an die Seite. Allein ins Ungewisse fortgeschickt, symbolisiert sie für Alexa den Verlust der Unschuld. Sie sagte darüber: „Ich wollte den Schmerz erfahrbar machen der entsteht, wenn ein Mensch, eine ganze Gesellschaft sich gegen die Menschlichkeit wenden. Ich habe mich gefragt, was ich gemacht hätte, wenn ich in dieser Zeit gelebt hätte“. Das fragten sich auch die 85 Menschen im Publikum, viele waren sehr nachdenklich und berichteten in der anschließenden Diskussion, dass auch in ihren Familien wenig über diese Zeit gesprochen wurde. Sie bedankten sich für den interessanten Abend und warten nun gespannt auf den dritten Band, in dem sich klärt, was aus Tolla geworden ist, die es tatsächlich gab, wenn auch nicht als Tochter der Heimleiterin.

Leselust geht in die Sommerpause

Leselust geht in die Sommerpause. Die nächste Lesung findet am 18. September 2024 statt. Das Programm für das 2. Halbjahr wird in den nächsten Wochen hier bekannt gegeben.

Wir wünschen Ihnen einen schönen Sommer 2024!


Text: Birgit Böhnisch
Header: Heike Pohl

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